Samstag, 24. Januar 2009
 
EM in Klagenfurt: Misstöne am Wörthersee PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Samstag, 7. Juni 2008

Mit den slawischen Völkern hat das Kärntner Establishment immer schon so seine Probleme gehabt. Jetzt kommen noch die Polen und die Kroaten. Klagenfurt fürchtet sich.

Der Wirt der Gaststätte Kärntner Hamat’l rechnet nicht mit dem großen Fußballgeschäft. Sein Lokal, wo deftige bodenständige Kost serviert wird, liegt gerade außerhalb der Fanzone. Zwar profitiert auch er von Schlachtenbummlern und hat zwei Abende schon für polnische Matchbesucher reserviert, doch den von den Stadtvätern einst prognostizierten Ansturm von 150.000 Fans hält er für unrealistisch.

Klagenfurt ist die kleinste der EM-Austragungsstädte, gleichzeitig die exponierteste. Denn sie liegt im Einzugsbereich aller drei Länder, deren Mannschaften hier spielen werden: Deutschland, Kroatien, Polen. Zagreb liegt mit 230 Straßenkilometern näher als Wien, München ist über die Tauernautobahn in drei Stunden zu erreichen und auch von Krakau (780 km) fährt man nicht länger als eine Nacht. Fans aus Kroatien und Polen werden von der Polizei zudem als gewaltbereit eingeschätzt. Feuerwehrhauptmann Josef Pobenig, der für die nichtpolizeiliche Sicherheit zuständig ist, gibt sich aber gelassen: er glaubt, dass Sanitäter und Ordnungshüter in erster Linie mit den gleichen Problemen konfrontiert sein werden, wie bei Kirchtagen oder größeren Sportveranstaltungen: Alkoholleichen, Hitzschlag, Dehydrierung, kleinere Raufereien. Organisierte Hooligans seien eher ein Phänomen des Clubfußballs, meint Pobenig. Notorische Fußballrowdies würden außerdem gar nicht ins Land gelassen. Für die werden schon an den Grenzen die Kontrollposten wieder eingerichtet.

Sollten trotzdem Störenfriede aus diesen Ländern Krawall machen wollen, würden uniformierte Polizisten aus Polen und Kroatien für Ordnung sorgen. Anders als die rund 2500 deutschen Polizeibeamten haben die allerdings keine Hoheitsrechte und dürfen nur in Begleitung von österreichischen Kollegen patrouillieren. Allein ihre Anwesenheit soll aber den gewaltbereiten Landsleuten signalisieren: ihr werdet beobachtet.

Die Fanmeile in der Klagenfurter Altstadt wird zur Hochsicherheitszone. Handtaschen und Rücksäcke werden untersucht: Getränke und alle Gegenstände, die als Wurfgeschoß dienen könnten, müssen draußen bleiben. Handy und Schlüssel - wiewohl handlich und wurfgeeignet - werden aber toleriert, Regenschirme oder auch Motorradhelme nicht. Getränke werden aus Sicherheitsgründen in der gesamten Innenstadt nur in Plastikbechern ausgeschenkt. Nur in den Lokalen darf man Bier und Wein auch in Gläsern kredenzen. Fast die ganze Altstadt wird zur Fanmeile, der streng kontrollierte Bereich beschränkt sich aber auf den Neuen Platz, wo vor dem Rathaus eine 44 m2 große Leinwand errichtet wird. Videokameras auf allen Plätzen und breiteren Straßen werden Klagenfurt für vier Wochen zu einer der bestbewachten Städte der Welt machen. Der berühmte Lindwurm aus dem 16. Jahrhundert, Wahrzeichen der Stadt, erhält ein zusätzliches Schutzgitter von drei Metern Höhe, das auch den Wagemutigsten davon abschrecken soll, den Rücken des jungfernverschlingenden Ungeheuers zu erklimmen. Der Platz selbst wird mit neuen Granitplatten für den Ansturm von bis zu 6000 Fans fit gemacht. Auf dem Messegelände, das unweit vom Bahnhof und damit in Gehweite vom Stadtzentrum liegt, stehen nochmals 10.500 m2 Areal und eine Videowall von 60 m2 zur Verfügung. Da können sich bis 22.000 Fans tummeln. In der Messehalle steht auch ein Fancamp zur Verfügung, wo man für 25 Euro die Nacht einen Platz im Stockbett bekommt.

Die 3000 Gästebetten in der Stadt wurden vom Reiseunternehmer Kuoni pauschal gebucht. Doch im Umkreis sind jede Menge Frühstückspensionen zu finden. Und die Stadtväter forderten auch Privatpersonen auf, für die Zeit der EM Zimmer zur Verfügung zu stellen.

Organisation und Betreuung der Fanmeile wurde an einen privaten Eventmanager ausgelagert. Stefan Petschnig veranstaltet mit seiner Triangel Agentur seit zehn Jahren das Klagenfurter Ironman Rennen. Bis vor wenigen Jahren war er selbst in diesem härtesten der Ausdauerrennen aktiv. Den Seitensprung zum Fußball sieht er als interessante Herausforderung. Er rechnet mit maximal 30.000 Fans an den drei Spieltagen.

Klagenfurt ist eine Stadt von mediterraner Leichtigkeit. Nach Verwüstungen durch Feuersbrünste, Türken und Napoleon wurde sie immer wieder aufgebaut, die Substanz aus der Zeit der Hochblüte im 16. Jahrhundert blieb aber erhalten. Über 50 schattige Arkadenhöfe in den Renaissancebauten, von denen viele für Gastronomie und Kulturveranstaltungen genützt werden, verleihen der Stadt einen unverwechselbaren Charakter, der auch Hardcore-Fußballfans bezaubern muß. Der Wörthersee mit seinem 20.000 Personen fassenden Seebad liegt vor der Tür.

Das Wörthersee-Stadion ist die einzige Fußballarena in Österreich, die eigens für die EM gebaut wurde. Es faßt 38.000 Menschen und gilt als architektonisches Schmuckstück. Fast wäre es nicht fertig geworden, denn um Ausschreibung, Bauträger und Kostenübernahme wurde jahrelang zwischen Landeshauptmann Jörg Haider, Bürgermeister Harald Scheucher und Bund gestritten. Haider wollte seinen Favoriten durchdrücken und provozierte einen Disput, der fast damit endete, dass die UEFA Klagenfurt die Austragung wieder entzog.

Ob das Stadion auf 15.000 Zuschauer rückgebaut wird, wie es einem Provinzstadium entspricht, ist noch umstritten. Der lokale Fußballklub Austria Klagenfurt vermag es jedenfalls nicht zu füllen. Der Verein ist ein Klon, der sich letztes Jahr nur in der Bundesliga halten konnte, weil er die oberösterreichische Mannschaft Superfund Pasching aufkaufte. Dieses Jahr wurde der Abstieg verhindert, weil Wacker Innsbruck noch schlechter war. Daß Klagenfurt überhaupt den Zuschlag für die EM bekam, ist nur durch die politische Konstellation zum Zeitpunkt der UEFA-Entscheidung zugunsten von Österreich/Schweiz zu erklären. Haiders Parteifreundin Susanne Riess-Passer war 2001 Vizekanzlerin und Sportministerin. Haider, der auch sonst keine Gelegenheit auslässt, sich durch Sportevents in Szene zu setzen, ließ seine Kontakte spielen und holte die Megaveranstaltung nach Klagenfurt. Gleichzeitig wurde sein Wunsch nach einem neuen Stadion erfüllt.

Bei der Ausrichtung des Events in Klagenfurt hat Haider nichts mitzureden. „Gottlob“, sagen die meisten Veranstalter hinter vorgehaltener Hand. Trotzdem gelingt es ihm, zu provozieren. Während die Veranstalter auf kulturübergreifende und versöhnliche Konzerte setzen, lud der Rechtspopulist Marko Perkovic, einen der bekanntesten Rocksänger Kroatiens, zu einem Match ein. Perkovic, der eigentlich in St. Andrä im Lavanttal vor kroatischen Fans auftreten sollte, war von der Landesregierung aus „sicherheitstechnischen Gründen“ wieder ausgeladen worden. Denn seine kriegerisch-nationalistischen Texte könnten die angestrebte Harmonie stören. Haider juckt das wenig. Er will sehen, ob man nicht doch „einen geeigneten Rahmen für ein Konzert“ findet.

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